HYGIENE AKTUELL

Aktuelle Änderungen im Infektionsschutzgesetz – was heißt das konkret für Pflegeeinrichtungen?

Text: Dr. Barbara Poschwatta | Foto (Header): © PhotoSG – stock.adobe.com

In den letzten Jahren haben wir uns an die regelmäßigen Änderungen beim Infektionsschutzgesetz gewöhnt. Es ist Alltag: in regelmäßigen Abständen werden die gesetzlichen Grundlagen des Infektionsschutzes überarbeitet oder an eine neue Ausrichtung im Umgang mit der Corona-Pandemie angepasst. Etwas länger hat jetzt die neueste große Änderung auf sich warten lassen. Sie soll uns gut durch den Herbst und Winter bringen, in dem wieder mit deutlich steigenden Infektionszahlen gerechnet wird. Konnten wir letztes Jahr im Sommer durchatmen, war dies in diesem Jahr zumindest zahlenmäßig nicht wirklich möglich. Was kommt nun auf Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser zu? Welche Maßnahmen sind vom Gesetzgeber vorgesehen? Wie können sich Einrichtungen auf die mutmaßlich schwierigen Monate vorbereiten?

Auszug aus:

QM Praxis in der Pflege
Ausgabe Oktober 2022
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Lassen Sie mich mit der letzten Frage beginnen. Der Aspekt der Vorbereitung ist vor dem Hintergrund des zeitlichen Ablaufs schwer mit einer positiven Aussage zu beantworten. Die Änderungen im Infektionsschutzgesetz wurden Mitte September veröffentlicht.

Vorangegangen ist eine lange Debatte, die zumindest für Außenstehende docheher ideologisch geprägt gewirkt hat. Hat Parteipolitik in den ersten Jahren der Corona- Pandemie gefühlt nur eine untergeordnete Rolle gespielt, scheint sie jetzt deutlich in den Vordergrund zu treten. Damit leider auch teilweise zeitliche Verzögerungen und hier schließt sich der Kreis: In Pflegeeinrichtungen und Gesundheitseinrichtungen muss jetzt schnellstmöglich umgesetzt werden, was über einen gefühlt relativ langen Zeitraum entwickelt wurde.

Das bedeutet, Vorbereitung war gestern – direkte Umsetzung ist heute. Bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung die Vorbereitung auf die sicherlich steigenden Infektionszahlen in den nächsten Monaten umfassen kann.

Überblick über die allgemeinen Änderungen

Die aktuellen Änderungen im Infektionsschutzgesetz müssen teilweise bereits bei Erscheinen dieser Ausgabe umgesetzt sein. Trotzdem sollen sie hier noch mal benannt werden.

Vom Inkrafttreten der Gesetzesänderungen bis zum Erscheinen der Ausgabe sind nur wenige Wochen Zeit verstrichen und bei der aktuellen Situation, macht es durchaus Sinn, nochmals eine Zusammenfassung zu geben.

Bundesweite Schutzmaßnahmen
Folgende Maßnahmen gelten ab 1. Oktober:
• FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr
• FFP2-Maskenpflicht in Arztpraxen und Praxen von Heilberuflern
• Masken- und Testpflicht in für den Zugang zu Krankenhäusern
• Masken- und Testpflicht in für den Zugang zu stationären und teilstationären Pflegeeinrichtungen
• Masken- und Testpflicht in für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen (einschließlich ambulante Pflege) und Krankenhäusern
• keine Testpflicht für die betreuten Patienten/Kunden/Klienten
• keine Maskenpflicht für behandelte/betreute Personen in den eigenen Räumlichkeiten

Länderspezifische Schutzmaßnahmen
Neben den übergreifenden Regelungen wurde ein Stufenkonzept entwickelt, das den Bundesländern ermöglichen soll, auf das regionale Infektionsgeschehen zu reagieren. Man spricht vom Länderstufenkonzept. Diese regionalen Maßnahmen sind in zwei Stufen aufgegliedert. Hier sind weitergehende Maßnahmen möglich, um z. B. die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu ermöglichen. Auch die kritische Infrastruktur ist hier mit im Blick.

Ein Blick auf die jüngste Vergangenheit zeigt, dass dies ein wesentlicher Aspekt sein kann – bereits im Sommer gab es immer wieder Meldungen, dass z. B. im Rettungswesen nicht mehr genügend hauptamtliche Kräfte zur Verfügung standen. Und für die Leser dieser Zeitschrift sind Erklärungen der mannigfaltigen Probleme im Krankenhaus- und Pflegebereich unnötig – jeder von uns dürfte eigene Beispiele und Erfahrungen anführen können, warum ggf. weitere Maßnahmen notwendig sein können.

Stufe 1 umfasst dabei die Maskenpflicht im ÖPNV und außerdem die Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräume. Allerdings sind hier Ausnahmen zwingend vorgegeben. Diese beziehen sich auf Personen mit Testnachweis bei Freizeit-, Kultur- oder Sportveranstaltungen, in Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie in gastronomischen Einrichtungen und bei der Sportausübung. Auch Ausnahmen für Menschen mit Genesenennachweis sind möglich.

Und die Maskenpflicht in Schulen ist wieder möglich: Länder können entsprechende Regelungen erlassen, wenn die Notwendigkeit dafür besteht, um den Präsenzbetrieb aufrechtzuerhalten. Dies bezieht sich dann auf Schüler ab der 5. Klasse und die Beschäftigten.

Die Länder können auch die Testverpflichtung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen wiederaufleben lassen. Zu diesen Einrichtungen zählen auch Schulen und Kindertageseinrichtungen.

Wenn sich die Corona-Welle trotz der Maßnahmen weiter aufbaut und Gesundheitssystem oder kritische Infrastruktur gefährdet sind, dann können weitergehende Maßnahmen angeordnet werden. Dann greift die 2. Stufe des Stufenkonzepts. Die entscheidende Passage im Gesetz:

„Indikatoren hierfür sind das Abwassermonitoring, die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, die Surveillance-Systeme des Robert Koch-Instituts für respiratorische Atemwegserkrankungen, die Anzahl der in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit- 2019 (COVID-19) in einem Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen; ebenso sind die verfügbaren stationären Versorgungskapazitäten zu berücksichtigen. Absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten sind zu berücksichtigen. Die Landesregierungen können im Rahmen der Festlegung der Schutzmaßnahmen nach den Absätzen 2 bis 4 in einer Rechtsverordnung nach § 32 Schwellenwerte für die Indikatoren nach Satz 2 festsetzen; entsprechend können die Schutzmaßnahmen innerhalb eines Landes regional differenziert werden.“ (§ 28b IfSG)

Die Maßnahmen sind nicht neu und uns allen bestens aus den letzten Jahren bekannt:
• Maskenpflicht bei Veranstaltungen im Außenbereich, wenn der Mindestabstand < 1,5 m ist
• Maskenpflicht bei Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen
• Verpflichtende Hygienekonzepte in Betrieben, Einrichtungen, Gewerbe, bei Freizeit-/Kultur- und Sportveranstaltungen und für öffentlich zugängliche Innenräume, in denen mehrere Personen sind
• Mindestabstand von 1,5 m im öffentlichen Raum
• Personenobergrenzen für Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen

Spezielle Regelungen in Pflegeeinrichtungen

Die wesentlichen Regelungen für Pflegeeinrichtungen finden sich in Bezug auf den „Corona-Herbst“ in § 35 IfSG. nachfolgend werden die Inhalte des gesamten Paragrafen dargestellt, um der Logik des Gesetzes gerecht zu werden.

Die Regelungen in § 35 beziehen sich dabei grundsätzlich auf vollstationäre, teilstationäre und ambulante Einrichtungen. Es sind alle Einrichtungen eingeschlossen, die der Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dienen. Auch Einrichtungen, die diesen vergleichbar sind, fallen unter die Regelungen.

Aktueller Wissensstand
Grundsätzlich sind die Einrichtungen gehalten, den Stand der medizinischen Wissenschaft oder der Pflegewissenschaft hinsichtlich der Infektionsprävention bei medizinischen oder pflegerischen Maßnahmen zu gewährleisten. Im Gesetz ist festgelegt, wann die Vermutungswirkung greift, dass dies in der jeweiligen Einrichtung so ist: Beachtet die Einrichtung die Empfehlungen der Kommission für Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe nach § 23 Absatz 1, dann ist die Vermutungswirkung erfüllt.

Hygienepläne, Verfahrensregelungen, Überwachung
Die Einrichtungen müssen Hygienepläne erstellen, die innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen. Außerdem werden diese Einrichtungen durch das Gesundheitsamt überwacht. Das gilt bei ambulanten Pflegeeinrichtungen bei ambulanter Intensivpflege auch an dem Ort, an dem die Intensivpflege erbracht wird.

Verantwortliche Personen
In den Einrichtungen müssen verantwortliche Personen benannt werden. Dies gilt für den Zeitraum zwischen 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023. Für die Benennung und weitere Meldung sind die Einrichtungsleitungen zuständig. Die Aufgaben dieser Personen beziehen sich dabei auf die Maßnahmen rund um Corona. Dazu zählen:
• Einhaltung der Hygieneanforderungen und der Hygienepläne
• Beachtung von Organisations- und Verfahrensabläufe im Zusammenhang mit dem Impfen und dem Testen
• Vorsehen von Maßnahmen zur Unterstützung der Versorgung der Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen mit antiviralen COVID-19-Arzneimitteln
• Bevorratung von antiviralen COVID-19-Arzneimitteln

Wichtig ist, dass die Aufgabe der benannten Personen das Sicherstellen dieser Maßnahmen ist.

Hinsichtlich der Organisations- und Verfahrensabläufe beim Testen bzw. Impfen wird ausgeführt:

„(…) Impfen von Bewohnern sowie Gästen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, insbesondere die regelmäßige Kontrolle des Impfstatus sowie die organisatorische und praktische Unterstützung von Impfungen durch niedergelassene Ärzte und mobile Impfteams und (…)

Testen von Bewohnern sowie Gästen, von in der Einrichtung tätigen Personen und von Besuchern auf das Coronavirus SARS-CoV-2 gemäß dem einrichtungsspezifischen Testkonzept und unter Berücksichtigung der Teststrategie der Bundesregierung, der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie landesspezifischer Vorgaben und der Vorgaben der Coronavirus-Testverordnung (…)“

Bis 15. Oktober soll der Qualitätsausschuss Pflege in Abstimmung mit dem BMG pflegefachlich orientierte Grundlagen und Verfahrenshinweise für die Sicherstellung der Einhaltung der Anforderungen, Abläufe und Maßnahmen durch die benannten Personen. Dies bezieht sich auf die stationären und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Diese Einrichtungen müssen dann bis 1. November 2022 die entsprechenden Abläufe festlegen. Die Hinweise wurden vor Kurzem veröffentlicht, bis zur Drucklegung war es jetzt nur möglich, die wichtigsten Inhalte als Arbeitshilfen abzubilden.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in den Pflegeeinrichtungen sind die benannten Maßnahmen zwar nachvollziehbar. Allerdings kostet die Umsetzung zusätzliche Zeit und das ist in der aktuellen Situation nicht zu unterschätzen.

Grundsätzlich sind die Maßnahmen dann zu dokumentieren. Generell überwachen die Gesundheitsämter die Umsetzung.

Weiterhin wird festgelegt, dass der Arbeitgeber personenbezogene Daten der Beschäftigten zu Impf- und Serostatus verarbeiten darf. Dies bezieht sich auf übertragbare Krankheiten und zwar dann, wenn dies Einfluss auf die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder die Art und Weise einer Beschäftigung hat. Nicht zulässig ist dies, wenn die Krankheiten nicht mehr übertragen werden können. Ein Querverweis auf das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts ist enthalten.

Die Länder müssen in Verordnungen für die stationären und teilstationären Einrichtungen erforderliche Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten festlegen. Dazu gehören Regelungen zu
• hygienischen Mindestanforderungen an Bau, Ausstattung und Betrieb
• personeller Ausstattung in Bezug auf hygienebeauftragten Pflegefachkräften oder Hygienefachkräften
• Aufgaben und Anforderungen an Fort- und Weiterbildung der in der Einrichtung erforderlichen hygienebeauftragten Pflegefachkräfte oder Hygienefachkräfte
• der erforderlichen Qualifikation und Schulung des Personals hinsichtlich der Infektionsprävention
• der Information des Personals über Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten

Weiterhin enthält § 35 Regelungen zu Skabies und Lungentuberkulose.

In Bezug auf Corona und COVID-19 werden auch die Meldepflichten gegenüber dem Robert Koch-Institut detailliert aufgeschlüsselt. Hier werden auch die datenschutzrechtlichen Belange dargestellt.

Für die benannten Personen erhalten die Einrichtungen eine Entschädigung. Die entsprechenden Formulare können auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbands heruntergeladen werden.

Die Autorin

Dr. Barbara Poschwatta

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