PflegePRAXIS

Bedürfnisorientierte Dienstplangestaltung – Handlungsansätze und Praxistipps für eine gesundheitsorientierte Schichtplanung

Text: Lydia Lebelt | Foto (Header): © georgerudy – stock.adobe.com

In der letzten Ausgabe wurden die rechtlichen Hintergründe der Dienstplangestaltung genauer betrachtet. In diesem Beitrag wird der Fokus auf der Schichtarbeit und deren Belastungen liegen. Ebenso werden Strategien und Handlungsansätze vorgestellt, um diesen Belastungen zu begegnen und eine bedürfnisorientierte und gesunde Schichtplanung zu schaffen.

Auszug aus:

QM Praxis in der Pflege
Ausgabe Dezember 2022
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Schichtarbeit und deren Belastungen

Die Schichtarbeit ist in vielen Branchen nicht wegzudenken. Besonders im Pflegebereich kann darauf nicht verzichtet werden, um eine qualitativ hochwertige Pflege zu gewährleisten. Fakt ist, dass die Schichtarbeit für den menschlichen Körper belastend, anstrengend und auch gesundheitsgefährdend sein kann. Der größte Feind der Schichtarbeit ist nämlich im menschlichen Körper selbst zu finden: Es ist unsere innere Uhr.

Die innere Uhr und ihre Funktionsweise

Viele biologische und psychische Vorgänge im menschlichen Körper arbeiten nach einem natürlichen biologischen Rhythmus, welcher durch innere und äußere Faktoren ergänzt wird. Zu den inneren Faktoren zählen beispielsweise der Puls, der Blutdruck und die Verdauung, während das Tageslicht als äußerer Faktor agiert und als Taktgeber dafür verantwortlich ist, dass unsere innere Uhr nach dem Tag-Nacht-Rhythmus funktioniert.

Für den menschlichen Körper bedeutet das Folgendes: Der Mensch ist von Natur aus tagaktiv, d. h., tagsüber ist die Leistungsfähigkeit am höchsten. In der Nacht hingegen sinkt die Leistungsfähigkeit und damit nehmen auch die Körperfunktionen ab und der Körper fährt herunter. So wird deutlich, dass die Schichtarbeit, insbesondere die Nachtarbeit sich gegen die innere Uhr richtet.

Schichtarbeit und die innere Uhr

Entgegen der allgemeinen Meinung ist der menschliche Körper nicht in der Lage, sich an dauerhafte Schichtarbeit, besonders an die Nachtschicht, zu gewöhnen.

Die innere Uhr und der gewohnte Tag-Nacht-Rhythmus bleiben ausschlaggebend, sodass ein Arbeiten in Schichten immer eine zusätzliche körperliche Belastung darstellt. Infolgedessen können zahlreiche negative Folgen auftreten.

Unter anderem kann die Störung des Bio- und Schlafrhythmus zu körperlichen und psychischen Konsequenzen führen. Darunter zählen u. a. Schlafstörungen, Magenbeschwerden, Depressionen und Konzentrationsschwierigkeiten. Allein die Beeinträchtigung der Konzentration kann eine erhöhte Fehlerquote beim Verrichten der Arbeiten zur Folge haben. Zusätzlich kann eine langfristige Schichtarbeit negative Auswirkungen auf das private und soziale Leben mit sich bringen.

Auch das Alter spielt bei der Schichtarbeit eine besondere Rolle. Je älter die Belegschaft ist, desto schwieriger kann es werden, mit der Schichtarbeit umzugehen. Ebenso können die Folgen massiver in Erscheinung treten als in jungen Jahren.

Aber Schichtarbeit ist notwendig – was tun?

Auch wenn das jetzt nicht sehr vielversprechend klingt, muss nicht gleich jeder, der in Schichten arbeitet, panisch im Kreis laufen, auf Symptombeobachtung schalten und seinen Job kündigen.

Erstens ist jeder Mensch individuell. Wie Übergewicht nicht gleich bei jedem zu Bluthochdruck führt, müssen auch die Folgen der Schichtarbeit nicht auf jeden Schichtarbeitenden zutreffen. Zweitens gibt es zahlreiche Maßnahmen und Möglichkeiten, um die Folgen und gesundheitlichen Schädigungen der Schichtarbeit möglichst gering zu halten. Schließlich ist sie in der Pflege nicht wegzudenken, daher muss das Drumherum so angenehm wie möglich gestaltet werden, um die Gesundheit der Mitarbeitenden trotz Schichtarbeit so gut wie möglich zu erhalten.

Strategien für die gesunde Schichtarbeit

Grundlegend sind die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes für die Schichtarbeit unumgänglich. In der letzten Ausgabe haben Sie die wichtigen gesetzlichen Grundlagen kennengelernt, welche für die Anwendung der Schichtarbeit und die damit einhergehende Dienstplangestaltung wichtig sind. Daher an dieser Stelle nur ein kurzer Verweis zu den gesetzlichen Grundlagen.

Für jedes Unternehmen sollte klar sein, dass eine Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben rechtliche Konsequenzen mit sich bringen kann.

Betriebliche Gesundheitsförderung

Betriebliche Gesundheitsförderung sollte ein wichtiger Bestandteil eines Unternehmens sein, in dem Schichtarbeit praktiziert wird.

Dazu gehören zum Beispiel Informationsveranstaltungen und diverse Kursangebote, durch die die Mitarbeitenden erfahren können, wie wichtig eine gesunde Lebensweise ist. Dabei sollten die Mitarbeitenden sensibilisiert und ihnen gleichzeitig Möglichkeiten für eine gesunde Lebensweise aufgezeigt werden.

Ebenso kann das Angebot einer persönlichen Beratung von Vorteil sein, um sich auf die individuellen Problemlagen eines Einzelnen konzentrieren und darauf reagieren zu können. Dazu gehören zum Beispiel Beratungen zum Thema Schlafprobleme, Erholung, Stressmanagement und gesunder Ernährung. Ziel ist es, die Mitarbeitenden zur Anwendung vorbeugender Maßnahmen zu motivieren, um die negativen Folgen der Schichtarbeit zu minimieren.

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung

Durch die bestehende Infektionsgefahr ist jede Pflegeeinrichtung verpflichtet, den Mitarbeitenden eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung durch einen Betriebsarzt anzubieten. Die Untersuchungen müssen wie folgt stattfinden:

  • eine Erstuntersuchung nach Aufnahme der Tätigkeit
  • die erste Nachuntersuchung nach 12 und alle darauffolgend nach spätestens 36 Monaten
  • nach Beendigung der Tätigkeit

Mitarbeitende über 50 Jahre können eine jährliche Untersuchung vom Unternehmen einfordern.

Passende Ruheräume, klar definierte Pausenregelungen und ein gesundes Mahlzeitenangebot

In jeder Einrichtung sollten passende Ruheräume zur Verfügung stehen. So haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Pausen fernab des Arbeitsplatzes und ohne Störung durch das Arbeitsgeschehen durchzuführen. Die Räumlichkeiten sollten nicht zu weit vom Arbeitsplatz entfernt sein, um nicht zu viel kostbare Pausenzeit durch zu lange Wege zu vergeuden. Daher sollten sich auch die sanitären Einrichtungen in unmittelbarer Nähe befinden. Wichtig ist hierbei, dass die Beschäftigten an der Mitgestaltung der Räumlichkeiten beteiligt sind, denn schließlich verbringen sie dort ihre Pause.

Für alle Mitarbeitenden sollte es in diesem Zusammenhang auch klar definierte Pausenregelungen geben, damit sich jeder auf die Pause einstellen und die eigenen Arbeitsaufgaben entsprechend planen kann. Diese Regelmäßigkeiten sind maßgeblich für eine angenehme Arbeitsroutine. Diese wirkt sich ebenso vorteilhaft auf eine ausgewogene Mahlzeiteneinnahme der Mitarbeitenden aus.

Auch hier kann das Unternehmen Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen. Mit einem gesunden Mahlzeitenangebot können vom Betrieb Mahlzeiten für die Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden, z. B. durch eine Kantine.

Das Essen sollte abwechslungsreich und gesund zubereitet werden und für die Mitarbeitenden erschwinglich sein. Sollte kein Kantinenangebot bestehen, bieten Automaten mit warmen Mahlzeiten oder eine Mikrowelle auf den Bereichen eine gute Alternative. Für Einrichtungen mit eigener Küche kann über die Zubereitung zusätzlicher Portionen für die Mitarbeitenden nachgedacht werden.

Angebote für Sport und Bewegung

Ergänzend zur gesunden Ernährung sollten Angebote für Sport und Bewegung nicht zu kurz kommen. Sport stärkt nachweislich das Herz-Kreislauf-System und die psychische Belastungsfähigkeit, was sich wiederum positiv auf den Stressabbau auswirken kann.

Das Unternehmen sollte versuchen Rahmenbedingungen für mehr Bewegung zu schaffen. In entsprechenden Räumlichkeiten können Betriebssportangebote oder Krankengymnastik angeboten werden. Ebenso gibt es die Möglichkeit, betriebliche Rad- oder Laufgruppen ins Leben zu rufen.

Eine Kooperation mit einem nahegelegenen Fitnessstudio und damit einhergehende Vergünstigungen für die Mitarbeitenden können ebenso als Angebot genutzt werden, wenn in der Einrichtung selbst keine Räumlichkeiten für sportliche Angebote zur Verfügung stehen.

Auch hier ist wieder Mitbestimmung gefragt. Das Unternehmen sollte in Erfahrung bringen, welche Angebote gewünscht werden und darauf alle weiteren Maßnahmen aufbauen.

Entspannungstraining und Stressmanagement

Besonders im Pflegebereich kann der Arbeitsalltag stressig und anstrengend sein. Genau aus diesem Grund sollten Entspannungstraining und Stressmanagement einen wichtigen Stellenwert im Unternehmen einnehmen. Unter anderem können Kurse zur Stressvermeidung, zum autogenen Training oder zur progressiven Muskelentspannung hier zielführend eingesetzt werden.

Grundlegende Bedingung für alle Maßnahmen

Bei genauer Betrachtung der genannten Maßnahmen wird Folgendes deutlich: Die Mitarbeiterwünsche stehen an erster Stelle. Keine Maßnahme ist erfolgsversprechend, wenn die Mitarbeitenden sie nicht annehmen. Daher ist bei Gestaltung der Strategien und Maßnahmen ein gewisses Maß an Mitspracherecht nie verkehrt.

Arbeitsablauf im Einklang mit der Dienstplangestaltung – ergonomische und gesunde Schichtplanung nutzen

Der Dienstplan erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben. Er ist grundlegendes Instrument, um eine wirtschaftliche Arbeitsweise zu schaffen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben. Ebenso ist der Dienstplan wichtige Grundlage, um die Mitarbeitenden gesund, leistungs- und beschäftigungsfähig zu erhalten.

Um diese Ziele bestmöglich zu erreichen, kann die ergonomische Schichtplanung wichtige Hilfestellungen und Möglichkeiten bieten. Dadurch können die sozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Schichtarbeit minimiert werden.

Folgend Handlungsansätze sind für eine ergonomische Gestaltung grundlegend:

Die Planung der Nachtschichten

Grundlegend sollten nicht mehr als drei Nachtschichten aufeinanderfolgend geplant werden. So bleibt die Arbeit gegen die innere Uhr überschaubar und die Umstellungsschwierigkeiten fallen geringer aus. Zusätzlich sollte nach Nachschichten ein entsprechend langer Freiausgleich geschaffen werden, der keinesfalls unter 24h liegen sollte. Eine Kürzung der freien Tage wirkt sich negativ auf den nachfolgenden Arbeitsblock aus.

Ebenso sollten Nachtschichten so früh wie möglich anfangen und gleichzeitig früh enden, um die Länge des Tagschlafes erhöhen zu können. Wissenschaftler haben bewiesen, dass der Schlaf von Nachtschichtlern im Durchschnitt gegen Mittag endet. Ein frühes Beenden der Nachtschicht könnte also den Schlaf der Mitarbeitenden verlängern.

Eine vorwärtsrotierende Planung mit schnellem Wechsel

Eine vorwärtsrotierende Schichtplanung arbeitet mit der inneren Uhr zusammen und kann somit besser vom Körper angenommen werden. Rückwärtswechsel, wie z. B. Spät- auf Frühschicht sollten daher vermieden werden, um die gesundheitlichen Beschwerden gering zu halten.

Oftmals ist ein solcher Wechsel gar nicht zulässig, da die entsprechende Ruhezeit von 11h zwischen den Schichten (ArbZG) bei einem kurzen Spät-Früh-Wechsel nicht eingehalten werden kann. Optimal ist bei einem 3-Schicht-System eine Rotation von Früh-, auf Spät- zur Nachtschicht und dann wieder von vorn.

Frühschichten sollten nicht zu früh begonnen werden

Um den Mitarbeitenden ausreichend Nachtschlaf zu gewähren, sollte der Frühdienst gegen 7.00 Uhr, nicht jedoch vor 6.00 Uhr beginnen. So kann das Schlafdefizit bei Mitarbeitenden minimal gehalten werden.

Hier fällt besonders der Widerspruch zu den Nachtschichten auf, die ja so frühzeitig wie möglich beendet werden sollten, um ebenso ein Schlafdefizit zu verhindern.

Hier müssen betriebliche Kompromisse gefunden werden, wie z. B. einen Frühschichtbeginn um 6.00 Uhr oder mehrere Dienstarten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten.

Die Schichtdauer wird an die Schwere der Arbeit angepasst

Schwere Arbeit ist immer belastend für den Körper, daher sollten Schichtpläne entsprechend anpasst werden. Dabei bestimmen Art, Umfang und Schwere der Tätigkeit über die Schichtlänge. Somit werden der Arbeitsprozess und die Schichtplanung in Zusammenhang gebracht und die Dienste entsprechend geplant. Grundsätzlich sollte eine Arbeitszeit von 8,5 h pro Tag nicht überschritten werden. Eine zu lange Arbeitszeit kann zur Übermüdung führen und die Fehlerhäufigkeit kann ansteigen.

Der Freizeitausgleich erfolgt im Block

Freie Tage sollten so oft wie möglich aufeinanderfolgend, also im Block geplant werden. Einzelne freie Tage zwischen den Arbeitsblöcken sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Gleiches gilt ebenso für die Planung von Arbeitstagen.

Das erleichtert für die Mitarbeitenden die Planung ihrer Freizeit und trägt maßgeblich zur Erholung bei.

Für die Gestaltung ist ebenso wichtig, dass die Schichten so geplant werden, dass mindestens zwei Abende pro Woche dem Mitarbeitenden zur Verfügung stehen, da besonders die Abende wichtig für soziale Kontakte sind.

Eine feste Überstundenregelung

Überstunden durch Mehrarbeit sollten in erster Linie immer durch Freizeitausgleich abgebaut werden, um die Mitarbeitergesundheit zu erhalten. Eine Auszahlung der erbrachten Stunden ist ebenso denkbar, sollte aber nur auf ausdrücklichen Wunsch und in Absprache mit dem Mitarbeitenden erfolgen.

Eine klare und feste Regelung zum Umgang mit den Überstunden gibt den Mitarbeitenden Sicherheit und Routine.

Die Verlässlichkeit des Schichtplanes ermöglichen

Ein Schichtplan muss verlässlich, nachvollziehbar und transparent sein. Änderungen im Plan bleiben jedoch nicht aus und machen es den Mitarbeitenden schwer, ihre Freizeit zu planen und zu gestalten. Daher sollten feste Richtlinien den Umgang mit plötzlichen Änderungen und Ausfällen regeln.

Grundlegend ist hier eine gerechte Verteilung der Dienste zielführend, damit nicht immer die gleichen Mitarbeitenden „einspringen“.

Hier besteht die Möglichkeit, Vertretungsdienste zu planen, z. B. durch festgelegte Rufbereitschaften. Ebenso können Dienste teilweise schneller verteilt werden, wenn den Mitarbeitenden ein Mitspracherecht eingeräumt wird und die Dienste nicht einfach mit „Sie-müssen-einen-Dienst-übernehmen“ verteilt werden.

Besonders bei Wochenend- und Feiertagsarbeit ist eine gewisse Verlässlichkeit unabdingbar. Gerechte Verteilungen und regelmäßige Wochenendwechsel, z. B. alle zwei Wochen, machen die private Planung langfristig einfacher. Gleiches gilt für die Urlaubsplanung. Diese sollte ebenso gerecht verteilt werden und nicht nach der „Ich-stand-im-Urlaubsplan-zuerst-drin-Methode“.

Fazit

Generell kann sich ein Mitspracherecht der Mitarbeitenden positiv auf die Motivation und auf das Betriebsklima auswirken. Daher sollte sich jede Einrichtung mit der Thematik des Wunschdienstplanes und dessen Umsetzung auseinandersetzen.

Können sich Mitarbeitende aktive bei der Dienstplangestaltung einbringen und werden die Wünsche berücksichtigt, dann wirkt sich das wiederum positiv auf die Zufriedenheit aus. In welchem Umfang den Mitarbeitenden ein Mitspracherecht eingeräumt wird, muss im Vorfeld klar definiert werden.

Überlastungsanzeige – was tun, wenn nichts mehr geht?

Manchmal geht es schneller als man denkt: Eine Infektionskrankheit bricht in einer Einrichtung aus und die Krankmeldungen stapeln sich. Die anwesenden Mitarbeitenden können die anstehenden Aufgaben nicht mehr bewältigen.

Die Arbeitsbelastung ist so hoch, dass einerseits die Gesundheit der Pflegekräfte darunter leidet, andererseits eine Gefährdung der Patienten, Bewohner oder Pflegebedürftigen nicht ausgeschlossen ist.

Haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen können die Folge sein, daher sollte ein solcher Zustand nicht einfach ignoriert werden.

Genau hier kommt die Überlastungsanzeige ins Spiel. Diese hat zum Ziel, den Vorgesetzten mitzuteilen, das die geforderten Qualitätsstandards unter den aktuell gegebenen Umständen nicht mehr eingehalten werden können. Dadurch soll eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen veranlasst werden.

Generell kann jeder Angestellte eine Überlastungsanzeige stellen. Die Mitarbeitenden sind sogar gesetzlich dazu verpflichtet, die Vorgesetzten bei eventuell eintretenden Schäden zu informieren und zu warnen.

Überlastungsanzeige – Wie genau funktioniert sie?

Wenn sich Pflegekräfte überlastet fühlen, dann sollte frühzeitig das Gespräch mit der Pflegedienstleitung erfolgen. Tritt keine Veränderung ein, dann sollte eine Überlastungsanzeige erstellt werden. Folgende Szenarien rechtfertigen eine Anzeige:

  • Es besteht das Risiko der Patientengefährdung.
  • Es besteht eine Gefährdung der Mitarbeitergesundheit.
  • Durch die Gefährdung der Patienten entsteht eine haftungsrechtliche Problemlage.

Die Anzeige sollte an die Pflegedienstleitung oder den Arbeitgeber direkt erfolgen. Eine vorgeschriebene Form gibt es dabei nicht, dennoch gibt es konkrete Inhalte, die enthalten sein müssen:

  • Datum und Ort
  • Station und Arbeitsbereich
  • Name des Mitarbeitenden
  • Art und Umfang der Belastung – möglichst genau und objektiv
      • Wie lange hält der Zustand bereits an?
      • Wie viele Mitarbeitende sind beteiligt?
      • Wie wirkt sich die Situation auf den Pflegealltag aus?
  • Folgen für Mitarbeitende und Bewohner benennen
  • Maßnahmen, die bereits
    unternommen wurden, um den Zustand zu verbessern
  • Aufforderung an die Vorgesetzten Abhilfe zu schaffen

Der Inhalt sollte unbedingt die Art und den Umfang der Überlastung so objektiv, sachlich und genau wie möglich wiedergeben.

Zwar kann die Anzeige auch mündlich erfolgen, jedoch ist die schriftliche Form aus Gründen der Beweislast zu präferieren. Ebenso ist es angebracht, die Anzeige in zweifacher Ausfertigung anzufertigen. Eine Kopie erhält das Unternehmen, auf der anderen wird der Erhalt per Unterschrift bestätigt. Diese verbleibt in den eigenen Unterlagen.

Generell sollte man nicht auf ein persönliches Gespräch vor der Anzeige verzichten, so kann ein Konflikt mit dem Unternehmen abgefedert werden. Falls es einen Betriebsrat gibt, kann dieser als offizieller Sprecher eingeschalten werden.

Rechtliche Einordnung

Doch eines ist sicher: Nicht alle Vorgesetzten reagieren positiv auf eine Überlastungsanzeige. Bleibt eine Reaktion aus oder wird sogar mit disziplinarischen Maßnahmen, wie einer Abmahnung reagiert, dann sollte sich die Pflegekraft auf jeden Fall an die Heimaufsicht wenden oder sich anwaltliche Hilfe suchen.

Laut einem Urteil des Arbeitsgerichtes Göttingen aus dem Jahr 2017 ist eine Abmahnung als Reaktion auf eine Überlastungsanzeige nicht rechtens, daher sollten Arbeitskräfte keine Angst haben eine Überlastungsanzeige zu stellen.

Als Pflegekraft sollte man immer bedenken, dass man sich jederzeit auf die Anzeige berufen kann, wenn einem aufgrund einer erhöhten Arbeitsbelastung Fehler passieren und diese zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Somit liegen die haftungs- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht mehr beim Mitarbeitenden, sondern beim Vorgesetzten selbst, da er bereits auf die Gefahr der Situation hingewiesen wurde.

Die Autorin

Lydia Lebelt
Im Anschluss an ihre Ausbildung zur Altenpflegerin und ihr Studium zum Bachelor of Arts Pflegemanagement arbeitet Lydia Lebelt als Pflegefachkraft, Pflegedienstleitung und QMBeauftragte in der ambulanten und stationären Altenhilfe.

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